Atemgase
Luft (Druckluft / Pressluft) ist das verbreitetste Atemgasgemisch und besteht vereinfacht betrachtet aus 79 % Stickstoff und 21 % Sauerstoff sowie Resten von Kohlendioxid und
Edelgasen. Die Grenzen für Sporttaucher für das Tauchen mit Luft liegen durch die narkotische Wirkung des Stickstoffes (s.o.) bei empfohlenen 40 m. Spätestens im Bereich von über 60 bis 70 m macht
die zusätzliche Gefahr durch Sauerstoffvergiftung das Risiko nicht mehr kalkulierbar.
Der Tauchversuch eines früheren Weggefährten Cousteaus mit Luft auf ca. 130 m endete tödlich.
Nitrox (zusammengesetzt aus Nitrogenium (N2) und Oxygenium (O2)) ist die Bezeichnung für ein Atemgasgemisch beim Tauchen.
Diese Atemgase sind eine Mischung von Stickstoff und Sauerstoff, wie es auch die normale Luft ist (78,07 % Stickstoff, 20,96 % Sauerstoff, 0,93 % Argon, 0,036 % Kohlendioxid). Im Sporttauchen
versteht man unter diesem Begriff Atemgasgemische mit einem Sauerstoffanteil über 21 %. In der Regel liegt der Sauerstoffanteil zwischen 32 % und 40 %. Man spricht im Zusammenhang daher auch von
Enriched Air (mit Sauerstoff angereicherte Luft) oder Enriched Air Nitrox (EAN / EANx).
Anwendungen
In den Anfangszeiten dem technischen Tauchen zugeordnet, hat sich Nitrox als Atemgas mittlerweile im Sporttauchen etabliert und Tauchsportverbände wie z. B. PADI, SSI oder CMAS bieten Nitrox-Kurse
an.
Der Vorteil beim Tauchen mit Nitrox ist, dass der Taucher durch den geringeren Partialdruck des Stickstoffs weniger davon in seinen Körperflüssigkeiten aufnimmt. Dadurch ist der Taucher einer
geringeren N2-Narkosewirkung ausgesetzt, die Nullzeit verlängert sich und die Dekompressionszeit bzw. das Risiko eines Dekompressionsunfalls nimmt ab, wenn man mit Tauchtabelle für Pressluft taucht.
Die Zahl von Dekompressionsunfällen ist bereits so niedrig, dass durch den Einsatz von Nitrox keine bedeutsame Steigerung der Sicherheit herbeigeführt wird. Obwohl es hierüber keine empirischen
Studien gibt, deuten Schätzungen darauf hin, dass bei Verwendung von Nitrox innerhalb der normalen Pressluft-Nullzeitgrenzen sich das Risiko nur um einen Bruchteil eines Prozents, um 0,001 %
verringert. Der Einsatz von Nitrox bietet dennoch Vorteile z. B. für Berufstaucher und Tauchlehrer, bei denen der geringere Stickstoff-Anteil im Atemgas die Belastung durch mehrfache Aufstiege,
Jojo-Tauchgänge oder viele Repetivtauchgänge vermindert. Im Sporttauchen verringert Nitrox das persönliche Risiko bei längeren Tauchgängen und bei einer höheren Anfälligkeit für
Dekompressionskrankheit oder bei diagnostiziertem offenen Foramen ovale.
O2 im technischen Tauchen
Im technischen Tauchen wird 100 % Sauerstoff für die Reduktion der Dekompressionszeit verwendet.
Mit der Reduktion des Stickstoffanteils im Atemgas wird der Stickstoffgradient zwischen Gewebe und Atemluft vergrößert, ohne eine weitere Aufsättigung. Wird reiner Sauerstoff geatmet, ist dieser
Gradient maximal und bewirkt einen sehr schnellen Abbau von Stickstoff aus dem Gewebe. Dadurch verringern sich Dekompressionszeiten um 60 %.
Um die größtmögliche Sauerstoffausnutzung zu erreichen, werden die Dekozeiten der 6 m- und 3 m-Dekostufen zusammengezählt und auf 6 m (Sauerstoffpartialdruck von 1,6 bar) durchgeführt. Die Dekostufen
auf 9 m und 12 m werden mit Pressluft oder Nitrox durchgeführt.
Maximale Tauchtiefe
Die maximale Tauchtiefe (Maximum Operating Depth, MOD) wird berechnet mit
Auf Meereshöhe entspricht dies einer Tiefe von
Äquivalente Lufttiefe
Unter der äquivalenten Lufttiefe (Equivalent Air Depth, EAD) versteht man die Tiefe, in der der Sticksstoffteildruck normaler Pressluft dem des Nitrox-Gemisches entspricht. Da der Anteil von
Stickstoff durch den erhöhten Sauerstoffanteil gegenüber normaler Pressluft reduziert ist, fällt die EAD (also ohne Nitrox) weniger tief aus als die Tauchtiefe mit Nitrox (vgl. Bsp. nächster
Abschnitt). Durch das Modell der EAD wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bei der Verwendung von Nitrox-Gemischen der Taucher weniger stark mit Stickstoff aufsättigt wie bei demselben Tauchgang
mit Pressluft. Wenn der Absolutdruck statt der Tiefe benutzt wird, spricht man von dem äquivalenten Absolutdruck (Equivalent Air Pressure, EAP). Der EAP berechnet sich mit der Formel
Für bestimmte Nitrox-Gemische kann der EAD aus Tabellen ermittelt werden oder der EAD berechnet sich als
Hat man keine Austauchtabelle für ein bestimmtes Nitrox-Gemisch zur Verfügung, so kann durch Verwendung der EAD statt der tatsächlichen Tauchtiefe in einer für Pressluft entwickelten
Austauchtabelle nach dieser Tabelle ausgetaucht werden.
Das optimale Gasgemisch (Best Mix)
Der maximale Sauerstoff-Anteil im Atemgas für eine bestimmte Tiefe berechnet sich mit
Beispiel
Es wird ein Tauchgang von 40 Minuten auf 27 Meter mit EAN38 (d. h. 38 % statt 21 % Sauerstoff im Atemgas) auf Meereshöhe geplant. Dann ist
daher kann der Tauchgang auf 27 Meter durchgeführt werden.
Tieferes Tauchen
Zum Tauchen in größeren Tiefen werden Atemgasgemische aus Helium und Sauerstoff verwendet (Trimix, Heliox). Meist wird der Sauerstoffanteil dann sogar abgereichert und mehrere verschiedene Atemgase
zum Wechseln mitgenommen.
Physiologie
Mit steigendem Sauerstoffanteil im Atemgas verringert sich die maximale Tauchtiefe (engl.: maximum operating depth, MOD). Der Grund liegt in der Toxizität von Sauerstoff ab einem bestimmten
Partialdruck (ZNS-Vergiftung). Die Tauchorganisationen empfehlen beim Sporttauchen die Grenze von 1,5-1,7 bar Sauerstoffpartialdruck () nicht zu überschreiten. Unter optimalen Bedingungen (warmes
Wasser, keine Streßfaktoren, wenig Anstrengung etc.) wird 1,6 bar, sonst 1,4 bar als maximaler empfohlen. Die Toleranz gegenüber einer Sauerstoffvergiftung ist individuell und von der Tagesform
abhängig. Daher führt ein Überschreiten dieser Empfehlungen nicht zwangsläufig zu Unfällen. Allerdings empfehlen die Tauchsportverbände die Grenzen mit Vorsicht zu nutzen und nicht immer auszureizen.
Der Begriff "Safe Air" (50% Sauerstoff) vermittelt eventuell ein falsches Bild von Sicherheit.
Symptome
Die Symptome einer Sauerstoffvergiftung unterliegen einer großen Bandbreite an Ausprägung und Intensität. Folgende Warnsymptome können, müssen aber nicht eine drohende Sauerstoffvergiftung
ankündigen.
Ängstlichkeit
Schweißausbrüche
Schluckauf
Lufthunger
Zucken im Gesicht
Tunnelblick
Blitz- und Flimmer-Empfindungen
Schwindel
veränderter Höreindruck
Puls/Druckanstieg
Bei zu hohem Sauerstoffteildruck ( > 1,7 bar) können plötzlich und ohne Vorwarnung Krampfanfälle auftreten, welche epileptischen Anfällen gleichen. Diese Krampfanfälle hinterlassen in der Regel
keine direkten Folgeschäden und enden spontan innerhalb 1-5 Minuten nach Normalisierung des Sauerstoffteildrucks ( = 0,21 bar). Danach folgt in der Regel eine Bewusstlosigkeit von 5-10 Minuten.
Gelegentlich kommt es zu unkontrolliertem Stuhlgang. Große Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen sind zu erwarten. Als Langzeitfolge kann es zu Lungenschädigungen kommen.
Bei einem Sauerstoffkrampf während eines Tauchgangs besteht die Gefahr, den Atemregler aus dem Mund zu verlieren und bei der anschließenden Bewusstlosigkeit zu ertrinken.
Ursachen der Sauerstoffvergiftung
Als Ursache für toxische Sauerstoffeffekte/Sauerstoffvergiftung gelten:
Veränderung der Zellmembranen
Veränderung von Schwefelwasserstoffverbindungen (Aminosäuren) in organischen Molekülen
Blockierung der Synthese von Botenstoffen (Neurotransmitter)
Diese Ursachen sind jedoch noch nicht vollständig medizinisch untersucht und abschließend bewertet.
Sauerstoffverträglichkeit
Die Toleranz eines Menschen gegenüber einem erhöhtem Sauerstoffpartialdruck wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst.
Wasser/Luft-Änderung
Umgebungstemperatur im Wasser (schnellere Auskühlung)
Erhöhte Arbeitsleistung (höherer Luftkonsum)
Erhöhtes in der Atemluft
Repetitive O2-Belastung des Körpers
Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose)
Unterzuckerung im Blut (Hypoglykämie)
Fieber
Medikamente, wie z. B. Aspirin, Steroide (Kortison), Insulin, Azetazolamid, Katecholamine (Adrenalin), hochdosiertes Penicillin, hochdosiertes Vitamin C, Kokain
In der Tauchtauglichkeitsuntersuchung muss der Arzt die Wirkung von Medikamenten abklären, die dem Taucher verschrieben wurden.
Atmung von reinem Sauerstoff
Bei atmosphärischem Druck (1 bar) führt die lange Atmung zu Veränderungen im Lungengewebe
(Lorrain-Smith-Effekt):
bei über 24 Stunden wird die Vitalkapazität auf 90 % des Ausgangswertes reduziert
bei 30-48 Stunden wird die Dehnbarkeit der Lunge auf ca. 70 % reduziert
reduziert den Atemgrenzwert (maximale Atemluftmenge)
reduziert die Diffusionskapazität zwischen Lunge und Blut
verändert die Oberflächenspannung der Alveolen (Lungenbläschen)
führt bei längerer Einwirkung zu Veränderungen im Lungengewebe
Das Atmen von reinem Sauerstoff ist nach einem Dekounfall dringend empfohlen, die beschriebenen Gefahren treten erst nach sehr langem Konsum auf und sind daher beim normalen Tauchen nicht von
Bedeutung.
Tauchausrüstung
Aufgrund der hohen Reaktivität von Sauerstoff wird eine speziell dafür ausgelegte Tauchausrüstung für Nitrox-Tauchgänge empfohlen. In Deutschland regelt eine Verordnung, dass jegliches Atemgemisch
mit einem erhöhten Sauerstoffanteil (im Vergleich zur normalen Atemluft) wie reiner Sauerstoff zu behandeln ist. So sind für Taucher in Deutschland spezielle Ausrüstungsgegenstände vorgeschrieben. In
vielen anderen Ländern hingegen darf man mit einer Mischung bis 40% O2 mit Pressluftausrüstung Nitrox-Tauchgänge durchführen.
Lungenautomaten
Lungenautomaten (erste und zweite Stufe), welche mit Atemgasen mit einem Sauerstoffanteil von mehr als 21 % verwendet werden, müssen in einigen Ländern (z. B. Deutschland) sauerstoffrein gemacht oder
bereits so hergestellt worden sein. Darunter versteht man die Verwendung von speziellen Schmiermitteln (umgangssprachlich Sauerstofffett) sowie speziellen für den erhöhten Sauerstoffanteil geeigneten
O-Ringen. In anderen Ländern kann ein Atemgas mit einem Sauerstoffanteil über 21 % mit herkömmlichen Lungenautomaten benutzt werden, z. B. bis 40 % O2 in der Schweiz.
Zudem müssen in der EU die Lungenautomaten mit einem speziellen Nitroxgewinde (M26x2) ausgestattet sein.
Die gängigsten Hersteller von Lungenautomaten bieten entweder direkt ab Werk Nitroxversionen einiger Modelle an oder aber Umrüstbausätze, die geeignete O-Ringe sowie Schmiermittel enthalten.
Füllanlagen
Nitrox Atemgasgemische können durch verschiedene Verfahren hergestellt werden. Beim Membranverfahren (siehe auch Membrantechnik) wird die Luft durch einen N2-Filter gepresst, in dem ein Teil des
Stickstoffs zurück bleibt. Mit dieser Methode kann der Sauerstoffgehalt des Gemisches bis auf 40 % erhöht werden. Die Anlagen sind einfach zu handhaben, das Gemisch ist sofort verwendbar und es muss
nicht mit reinem Sauerstoff hantiert werden. Beim Anreicherungsverfahren wird der Sauerstoff beim Füllen konstant zugegeben. Das Gemisch ist sofort verwendbar und es können Gemische mit einem
Sauerstoff-Anteile über 40 % hergestellt werden. Beim Partialdruckverfahren wird zuerst reiner Sauerstoff in die Flasche bis zu einem bestimmten Druck gefüllt und anschließend mit normaler Pressluft
der Solldruck der Flasche hergestellt (meist 200 bar, „auftoppen“).
Flasche
Eine Nitrox-Flasche ist speziell gereinigt und gekennzeichnet. Der Sauerstoffanteil in der Flasche wird nach dem Füllen überprüft und auf der Flasche vermerkt. Nitrox-Flaschen sollten nur an
Nitrox-Füllanlagen und nicht an gewöhnlichen Pressluftfüllstationen befüllt werden. In Nitrox-Füllstationen ist gewährleistet, dass durch die Verwendung sauerstoffreiner Elemente in der Anlage das
Atemgemisch selbst den Anforderungen entspricht und keine Verunreinigungen einbringt. Speziell einigen Tauchbasen an hoch frequentierten Tauchplätzen wird nachgesagt, die Wartung der regulären
Pressluftstationen nicht ordnungsgemäß durchzuführen, so dass diese dann Schmutzpartikel in die hochreinen Flaschen einbringen würden. Diese Flaschen sind dann nicht mehr für Nitrox-Füllungen
geeignet, bis sie wieder entsprechend gereinigt wurden.
Bei vielen Nitrox-Füllanlagen wird nach dem Partialdruckverfahren gefüllt. Aufgrund der entstehenden Verwirbelungen und Reibungen beim Füllen mit reinem Sauerstoff ist es wichtig, dass
Nitrox-Tauchflaschen ebenfalls sauerstoffrein sind. Es dürfen keine normale Pressluftflaschen verwendet werden, die eventuell ungeeignete Schmiermittel in den Ventilen oder Verunreinigungen
aufweisen. In solchen Fällen kann es zu einer Selbstentzündung der Schmiermittel oder Verunreinigungen kommen, die aufgrund der beinahe reinen Sauerstoffumgebungen zu heftigen Explosionen führen
kann.
Sauerstoffflaschen waren nach alter Vorschrift (gültig bis 1. Juni 2006) ganzheitlich blau, und die Bezeichnung „Sauerstoff“ musste eingestanzt sein. Nach der neuen Form ist der Behälter durchgehend
weiß; während der Dauer der Umstellung ist er mit zwei "N" (diametral versetzt) gekennzeichnet.
Flaschenventile
Für Flaschenventile in der Schweiz ist ein G3/4" - Gewinde vorgeschrieben, was es unmöglich machen sollte, Erste Stufen für normale Luft mit einer Nitrox-Flasche zu kombinieren.
Innerhalb der EU sind M26x2-Ventile (EN144-3, sogen. Euro-Nitrox) für Flaschen mit erhöhtem Sauerstoffanteil vorgeschrieben.
Revision durch Fachpersonal
Nitrox-Ausrüstung sollte, wie auch sonstige Tauchausrüstung, nur durch dafür ausgebildete Fachhändler durchgeführt werden. Dieser sollte mit der Pflege und Wartung von sauerstoffreiner Ausrüstung
vertraut sein und die entsprechenden Apparate verfügen.
Die Ausrüstung wird zerlegt und im Ultraschallbad gereinigt und anschließend mit speziellen Chemikalien behandelt. Geschmierte Teile müssen mit speziellem, sauerstoffbeständigem Fett eingefettet
werden.